Architektur

Ab 1958 errichtete der damals 32-jährige Architekt Oswald Mathias Ungers (1926–2007) ein Wohnhaus für sich und seine Familie an der Belvederestraße im westlichen Kölner Stadtteil Müngersdorf. Das Haus wurde auch als Architekturbüro genutzt und beherbergte zwei Einliegerwohnungen. Das Gebäude fügt sich harmonisch an die damals bereits existierende Häuserzeile an, indem es u.a. Material, Traufhöhe und Satteldach aufgreift. Aus den Gegebenheiten entwickelte Ungers jedoch ein stark plastisches Raumgebilde aus verschachtelten Quadern und zylindrischen Körpern und setzte damit einen markanten Akzent in einer eher konventionell bebauten Umgebung.

Mit dem Haus Belvederestraße 60 schuf Ungers als noch junger Architekt ein programmatisches Gebäude, mit dem er verdeutlichte, worin er sich von der Architektur seiner Zeit und dem Funktionalismus seines Lehrers Egon Eiermann absetzen wollte. Das national und international viel publizierte Bauwerk stellt den Beginn einer neuen Architektursprache in Deutschland dar. Neuartig war neben der Auseinandersetzung mit dem Kontext, dem genius loci, auch die "ehrliche" Verwendung von unverputztem Sichtbeton und Klinker. Der Bau wurde daher u.a. als frühes Manifest des sog. Brutalismus gewürdigt.

Das Wohnhaus in der Belvederestraße war für Ungers ein privates Laboratorium, in welchem er räumliche Erfahrungen sammeln und das Mögliche erproben konnte. Es war daher immer wieder Umbauten und Umgestaltungen unterworfen. Die größte Veränderung erfuhr das Haus, als Ungers 1989/90 im rückwärtigen Teil des Grundstücks einen streng kubischen Bibliotheksanbau für seine umfangreiche und kostbare Büchersammlung zur Architektur schuf. Äußerlich tritt der mit schwarzem Eifler Basalt verkleidete Bibliothekswürfel minimalistisch in Erscheinung. Die Strenge des Außenbaus steht im Kontrast zum Reichtum des doppelgeschossigen Innenraums, den Ungers für seine über 12.000 Bände umfassende kostbare Architekturbibliothek als Gesamtkunstwerk konzipierte.

Wie das Wohn- und Bürogebäude aus den späten 1950er Jahren stellt auch der Bibliothekskubus ein gebautes Manifest des Architekten dar und muss als ein visuell und physisch erfahrbarer Traktat über die Prinzipien der Architektur verstanden werden.